Von geplanten und ungeplanten Momenten
Joe
Was macht diese Momente aus, deren Erinnerung uns selbst nach vielen Jahren noch ein Lächeln auf die Lippen zaubern? Kündigen sie sich Monate vorher per Einsendung in perfektem Beamtendeutsch an, oder tippen sie dich eines Tages auf deine rechte Schulter um dich dann von links breit anzugrinsen? Sind sie groß, laut und strahlend? Oder eher leise, introvertiert und klein?
Kommen dir etwa gerade ein paar besondere Momente in den Sinn?
Ja hoffentlich! Mit einer Prise Glück sind manche davon sogar „Choriosity-Momente“ aus mittlerweile 10 Jahren Chorgeschichte. Und damit sind wir bereits voll im Thema unserer Jubiläumskonzerte. Der gewiefte Twist des Mottos 'Moments' war dabei sowohl an die vergangenen Momente zu erinnern, als auch mit Hilfe des Konzerts Neue davon zu schaffen. Aber kann man Letzteres einfach so einplanen?
Schwierig, denn diese besonderen Momente sind in ihrer Natur oft flüchtige, schüchterne und unzuverlässige Wesen. Wir selbst können dabei wohl nur einen möglichst guten Rahmen schaffen, damit sich diese seltenen Geschöpfe sich zu uns gesellen. Für unsere Konzerte hieß das: Proben, Planen, Proben und noch mehr Planen.
Und so schickten wir als Chor abertausende individuell verfasste Einladungen an all jene Momente, die diese Abende zu unvergesslichen Erlebnissen machen konnten. Fast beiläufig führten wir darin ein paar gute Gründe zum Kommen an:
„Übrigens, wir sind im vollen Roxy, da haben sich ja schon deine älteren Geschwister entfaltet. Und ach, es werden viele Alumni unter den 600 Zuschauern anwesend sein. Immerhin haben wir ja 10-Jähriges. Wir proben seit Monaten und kennen manche Lieder seit vielen Jahren. Aber mach dir keinen Stress.“
Manche Momente sind dabei wohl etwas deutlicher eingeladen worden: „Du dürftest dich beim Lied 'Viva La Vida' entfalten. Wusstest du, dass wir dafür die Zuschauer in unsere Mitte nehmen und manche dann aufstehen und mitsingen werden? Es könnte der Moment sein, in denen wir die Grenze zwischen Zuschauern und Chor aufheben. Aber wie gesagt, nur wenn es keine Umstände macht.“
Aber diese Momente sind wie dieser gute Freund, der sich immer alles offen lassen muss. Er antwortet dir vielleicht „Ach, schön dass du fragst :)“ und ja, das war's dann. Genau deswegen konnten wir uns fast erleichtert darüber freuen, wie viele der werten Momente sich dann doch ins Roxy bequemten. Und ja, insbesondere die 'Viva-la-Vida-Momente' werden für für viele von uns unvergesslich bleiben. Mein persönlicher Favorit war allerdings ein kurzer Moment der sich unangekündigt am Samstagskonzert ins Roxy schlich, das gerade zu Deutschlands größter Textilsauna wurde...
Es waren die drei Sekunden zwischen dem Ende des Daft Punk Medleys und dem anschließenden Applaus. Drei Sekunden, in denen die Worte „never over “ in der sauerstoffarmen Luft des Roxys verhallten und die eintretende Stille dröhnend laut war. Drei Sekunden, die in denen das Kleinhirn gerade noch die Worte „Was zum ..“ ins Bewusstsein feuern konnte. Drei Sekunden in denen der Chor kollektiv als choreographisches Element zu Boden schaute. Es brauchte ein paar Tage bis ich in Worte fassen konnte, warum diese drei Sekunden so überwältigend waren:
Diese Version des Daft Punk Medleys war unsere vielleicht beste Version des Liedes. Die Energie, die wir freisetzen konnten war brachial. Viele der Zuschauer und insbesondere eine große Zahl an Alumni standen während des Liedes auf, klatschen mit, sangen mit. So passierte das, was wir mit unserem 'Viva-la-vida-Moment' eigentlich erst danach erreichen wollten schon früher, spontaner und eindrucksvoller: Die Grenzen zwischen Publikum und Chor wurden regelrecht gesprengt.
Zusammen konnten wir anknüpfen und erleben, was diesen Chor so lebendig macht. Und gerade für diejenigen, deren letzte Erinnerung an Choriosity der Klick auf ein roten Telefonhörer nach einer weiteren schlechten Zoom-Verbindung 2020 war, konnten vielleicht gerade in diesem Moment einen Abschluss finden. Den Abschluss, der ihnen auch endlich mal gerecht wurde. Denn ohne sie würde es das alles wohl nicht in dieser Form geben.
Drei Sekunden in denen der Chor kollektiv zu Boden schaute. Jetzt nicht nur als Choreographie, sondern irgendwie auch als Verneigung an all diejenigen die mit uns einen Teil dieses Weges gegangen sind und ihn wesentlich mitgeprägt haben. Ein Moment, riesig groß und doch klein weil voller Demut. Eine Würdigung. Ein Dankeschön. Ein Abschließen und Loslassen. Aber vielleicht auch ein Anfang und eine Einladung wiederzukommen...
Denn diese Reise, die dieser Chor vor 10 Jahren angetreten ist, die geht natürlich weiter. Und obwohl schon eine Reihe an Konzerten, Aktionen und vieles mehr in Planung sind, wird es auch für uns faszinierend sein sich auszumalen, wohin es diesen Chor noch führt. Aber egal, welche Wendung dieser Weg noch vor sich hat, eines ist klar: Es werden die nächsten magischen Momente kommen, manche vielleicht schon in ganz naher Zukunft. Wäre ja echt blöd das zu verpassen. Wir machen jedenfalls immer weiter, oder anders gesagt:
Our work is never over.
Joe für Choriosity